23.XII.1915 „Weihnachtsstimmung“

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Wolfgang Husserl an M. und E. Husserl, 23. XII. 1915

Liebe Eltern!                                                                                                                                                                   23. Dezember 1915

Unter dem Eindrucke der Weihnachtsbescherung, die ich in Gestalt der Pakete 1-6 empfangen habe, danke ich Euch vielmals für diesen Reichtum. Alles ist sehr schön und freut mich ungemein. Die sogenannte Weihnachtsstimmung, die auf einem fortwährend sich füllenden Magen fußt, wird so naturgetreu hervorgerufen. … Ich lese andauernd „Maler Nolten“. Einfach wunderbar und goethisch! Sonst nichts Neues.

Wolfgang

19.XII.1915 „Die große Wurst imponierte mir mächtig“

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Wolfgang Husserl an M. Husserl, 19. XII. 1915

Liebste Mama!

Sonntag. Etain, 19. Dezember 1915

Heute brachte mir die Kantine prompt das Paket. Es enthielt wahrhaftig schöne Dinge. Alles ist mir sehr willkommen. Die große Wurst imponierte mir mächtig. Vielen, herzlichen Dank.

Ich erhielt einen Kartenbrief von Gerhart vom 13. des Monats, in dem er sich für das Geld bedankt.

Heute und gestern hatte ich sehr viel zu tun. Wetter schön.

Wolfgang

Das Paket machte mir wirklich große Freude. Während ich schreibe, schiele ich immer nach dem blendend weißen Bettbezug hin.

17.XII.1915 „Herr Hauptmann Mattersdorf scheint mit mir zufrieden zu sein“

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Wolfgang Husserl an M. Husserl, 17. XII. 1915

Liebste Mama!                                            Etain, den 17. Dezember 1915

Vielen Dank für Deinen lieben Brief vom 13. des Monats, der mich sehr freute. Sweater, der ideal ist und den ich jetzt immer trage, Hemd, Hose, Leibbinde, Strümpfe, Bett- und Tischtuch erhalten. Heute Honigkuchen. Ich kann leider nicht viel schreiben, da ich noch heute Abend eine schriftliche Arbeit für das Bataillon zu machen habe. Heute Vormittag habe ich aus einem verschütteten Stollen die Eisernen Portionen und Patronenreserven geholt. Ich watete drin 40-50 cm im Wasser und musste fast auf allen Vieren reinkriechen. Wenn ich damit fertig bin, alle Stolleneingänge auf Sicherung gegen Verschüttung bei Trommelfeuer (Beton) zu prüfen, habe ich durch Abstecken von Pfählen unauffällige Anmarschwege auf den Riegel, die nur im Gefecht benutzt werden dürfen, zu markieren. Die Franzosen beschießen bekanntlich bei einem Angriff auch die ausgetretenen Fußpfade hinter unseren Stellungen, die ihnen durch Fliegerphotographien bekannt sind. Herr Hauptmann Mattersdorf scheint mit mir zufrieden zu sein …

Exzellenz von Gündell war vor 3 Tagen auf der Smalianschanze, um eine neu anzulegende Stellung zu besichtigen.

16.XII.1915 „Wetter: schön und Frost“

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Wolfgang Husserl an M. Husserl, 16. XII. 1915

Liebe Mama!                                                                                                     16.12.15

… Als Laufgrabenoffizier habe ich viel zu tun, da ich eben viel zu „laufen“ habe. Der Riegel ist groß. Die Tätigkeit ist sehr interessant, andererseits mir wenig zusagend, da man sozusagen Spion und Denunziant ist. Jedenfalls macht man sich bei den Kompanieführern recht unbeliebt, wenn man Mängel in ihren Schanzen zur Sprache bringt. Mir liegt jedoch vor allem ob, die Arbeitertrupps, die aus den Reservekompanien gebildet sind und oft nur von Unteroffizieren geleitet werden, zu kontrollieren. Da kann ich vielfach Mängel selbständig abstellen und helfend eingreifen. Jedenfalls muss ich meine Tätigkeit sehr vorsichtig ausführen, um Konflikte zu vermeiden. Herr Hauptmann Mattersdorf gibt mir bestimmte Aufträge, nachmittags erstatte ich ihm Bericht. Er ist im Umgang sehr angenehm, nicht so wie der Oberstleutnant. Heute bekam ich die Aufgabe, sämtliche Stollen an der Hand eines Divisionsbefehles zu prüfen und 2-3 Tage Zeit dazu. Wetter: schön und Frost.

Herzlichst,

W.

 

10.XII.1915 „Also Lektüre!“

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Wolfgang Husserl an M. Husserl, 10. XII. 1915

Liebe Mama!                                                     Etain, den 10. Dezember 1915

Eben habe ich Deinen Brief vom 5. d. M. und die Photographien erhalten. Vielen Dank! Ferner brachte mir die Post ein großes Paket. …

Gestern wurden wir abgelöst, kamen aber nicht dem regelmäßigen Turnus entsprechend nach Schanze IV, sondern nach Etain, worüber wir nicht böse sind, raus aus Wasser und Schlamm! Trotzdem es unaufhörlich weiterregnete, hatten sich die Verhältnisse auf Schanze V nicht wesentlich verschlechtert. Allmählich sieht man, wo der Hund begraben liegt. Wir legten einen neuen Wassergraben an, in den, wenn er fertig sein wird, Rohre kommen, also regelrechte Kanalisation. Ein Regimentsbefehl nach dem anderen kommt. Der Oberstleutnant war auch einige Male bei uns. Der Oberstleutnant Alt ist ein aktiver Offizier, der natürlich von seinen Vorgesetzten abhängiger ist als wir Reserveoffiziere, die ja meist auf Beförderung nicht zu rechnen haben. So ist sein erster Gesichtspunkt bei seinen Arbeiten, was will der Oberstleutnant haben (also ein unsachlicher). … Ich will aber nicht sagen, dass Smalian nichts verstände, im Gegenteil seine Befehle geben viele Anregungen, aber alles, was er so bei der Besichtigung moniert, darf man nicht als unfehlbar auffassen. Für mich kam die Ablösung wie gerufen, da es scheußlich in meinem Unterstand durchregnete und der Eingang so zugefallen war, dass man nur nach einigen Klimmzügen raus kam. Hier bewohne ich ein Zimmer, das mir ein Vizefeldwebel der 1. Kompanie, der jetzt oben wohnt, abtrat. Es ist verschließbar. … Es ist alles drin, was zu einer kompletten Einrichtung gehört. … Ich fühle mich hier sehr wohl. Ich brauche jetzt nicht den ganzen Tag im Kasino rumzulungern und kann für mich lesen. Also Lektüre! Mörikes Gedichte lese ich gerade, deshalb bitte ich um „Maler Nolten“ und „Mozarts Reise“ etc. Horaz! Neubauer, Römische und griechische Geschichte. – Ein schönes Weihnachtsgeschenk für Euch alle weiß ich. Hoffentlich bekomme ich es rechtzeitig. Dienst haben wir jeden dritten Tag, 3 bis 4 Stunden Aufsicht über 32 Mann unserer Kompanie, die auf Schanze III arbeiten. Ich machte es heute Nachmittag. Ich will die viele freie Zeit nicht ungenützt verstreichen lassen. Die Kölnische Zeitung bekomme ich jetzt regelmäßig immer vom Tag zuvor. Kriegsnachrichten, hauptsächlich die politischen, gut. Kriegsberichterstattung und Feuilleton mäßig. Briefe schicke ich nachhause, die fremden gesondert zur gef. Durchsicht.

Gestern Abend schlemmten wir natürlich, aus Freude über die Ablösung. Jeder stiftete etwas. Der Oberleutnant 2 Flaschen Sekt. Das Wetter ist weiter schlecht.

Viele Grüße an Elli,

Wolfgang

Bitte einen Stoß Postkarten und Briefumschläge und einseitige Kartenbriefe!