18.X.1914 „Wir hofften viel früher ins Feuer zu kommen“

Liebe Eltern!

epaper-1914-10-18aHeute wurden uns die neuen Siege mitgeteilt. Dass wir Engländer nicht mit aus Ostende und Brügge vertreiben durften (sondern das 3. Reserve-Corps) hat uns sehr geärgert. Wir hofften viel früher ins Feuer zu kommen, als das jetzt wohl geschehen wird. Wir befanden uns nämlich auf dem Marsch gegen Ostende und Brügge. Heute Mittag kehrten wir plötzlich um und bezogen Quartiere, wir sollen also wohl woanders hinkommen. Der Marsch geht jetzt ungefähr halb so schnell als auf dem Übungsplatz, da der Tornister außerordentlich hinderlich ist und alle Augenblicke Halt gemacht und die Gewehre zusammengesetzt werden, um die Artillerie, Sanitätskolonnen, Stabsautos etc. vorbeizulassen. Wir gehören zur Armee des Herzogs Albrecht von Württemberg.

Quartierbeziehen gestaltet sich etwa so: Der Oberleutnant reitet voraus und sucht ein großes Gehöft aus, wo die ganze Kompanie Platz hat. Sowie wir angekommen sind, werden alle Räume für die Nacht zum Schlafen zurecht gemacht (Stroh) und Posten ausgestellt, um das Gehöft zu bewachen. Dann geht das Requirieren los: ein Ochse für das Bataillon, alles Brot, das die Leute haben, Hühner für die Feldwebel und Leutnants, und Gemüse. Da wir keine Feldküchen haben, müssen wir uns selber kochen, das besorgt der Feldwebel mit den Schlachtern, in einem großen Kessel wird das Essen gleich nach dem Einrücken aufgesetzt. Bis es fertig ist (2-3 Std.), ist Fußrevision, Gewehrreinigen und Ausruhen. Mein Geburtstagsgeschenk war gestern ein grauer Mantel und ein Stück Schinken vom Schießunteroffizier.

Meulebeke
Meulebeke

Diesen Brief habe ich gestern im Quartier begonnen und schließe ihn hier auf der Chaussee bei der ersten Marschpause. Wir sind in Meulebeke. Wir sollen der abziehenden englisch französischen Armee in den Rücken fallen, wie es heißt, und auf Dünkirchen losmarschieren. Bitte schickt eine Karte vom Kriegsschauplatz.

Wolfgang

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