26.X.1914 „Dass Wolfgang und ich völlig unversehrt geblieben bis heute, ist ein Wunder“

Bei Langemarck nördlich Ypres <Ypern>, Westflandern, 26.X.post-1473-1201218386 14

Das ist heute der 7.te Tag der Schlacht bei Langemarck. Man hat sich daran gewöhnt; wenn nicht gerade Granaten in nächster Nähe einschlagen, bleibt man unbekümmert. Der Schützengraben, den wir uns gestern aushoben, ist gut 1 m tief, und indem ich darin sitzend schreibe, lasse ich seelenruhig vereinzelte Gewehrkugeln darüberhin pfeifen. Seit 4 Tagen bin ich mit circa 50 anderen aus dem Kompanieverband gekommen und als Deckung der Artillerie zugeteilt, d.h. wir befinden uns zu 20 Mann in der Nähe der Geschütze von zwei Batterien, dazu bestimmt, im Falle eines plötzlichen Angriffes die im Nahkampf unbrauchbaren Kanonen zu verteidigen. … Ich hätte nie gedacht, dass Artillerie eine so üble Sache für den betreffenden Teil ist, bis wir es neulich, am Tage unserer Feuertaufe, gründlich merkten. 26.X.1914 „Dass Wolfgang und ich völlig unversehrt geblieben bis heute, ist ein Wunder“ weiterlesen

18.X.1914 „Wir hofften viel früher ins Feuer zu kommen“

Liebe Eltern!

epaper-1914-10-18aHeute wurden uns die neuen Siege mitgeteilt. Dass wir Engländer nicht mit aus Ostende und Brügge vertreiben durften (sondern das 3. Reserve-Corps) hat uns sehr geärgert. Wir hofften viel früher ins Feuer zu kommen, als das jetzt wohl geschehen wird. Wir befanden uns nämlich auf dem Marsch gegen Ostende und Brügge. Heute Mittag kehrten wir plötzlich um und bezogen Quartiere, wir sollen also wohl woanders hinkommen. Der Marsch geht jetzt ungefähr halb so schnell als auf dem Übungsplatz, da der Tornister außerordentlich hinderlich ist und alle Augenblicke Halt gemacht und die Gewehre zusammengesetzt werden, um die Artillerie, Sanitätskolonnen, Stabsautos etc. vorbeizulassen. Wir gehören zur Armee des Herzogs Albrecht von Württemberg. 18.X.1914 „Wir hofften viel früher ins Feuer zu kommen“ weiterlesen

15.X.1914 „Wir werden meist mit Erbsensuppe abgefüttert“

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Liebe Eltern!

Auf unserer Rundreise durch Belgien kamen wir gestern Nachmittag nach Namur, das sehr schön liegt. Die Spuren der Belagerung sind nicht zahlreich, wir sahen nur Schützengräben, ein zerschossenes Fort und verbrannte Häuser.

Wir fahren mit unglaublicher Langsamkeit, da alle paar Stunden ein Militärzug fährt. Dreimal am Tag werden wir meistens mit Erbsensuppe abgefüttert.
Belgien macht einen kultivierten Eindruck und ist landschaftlich reizvoll, besonders belgisch Luxemburg. Belgian Franctireurs, prisoners of German HussarsDas ganze Land wimmelt von netten Landsturmleuten, die Eisenbahn ist ganz deutsch. Gestern begegneten wir einem Zug gefangener Franctireurs. Eben steigen wir aus und setzen die Gewehre zusammen. Wir befinden uns in Grammont (zwischen Brüssel und Gent).

Wolfgang

14.X.1914 „Zickzack-Reise“ in den Krieg

Mobilmachung, Truppentransport mit der Bahn
Mobilmachung, Truppentransport mit der Bahn

Gerhart Husserl an Elli Husserl

Grupont (Belgien), 14.10.14. 9h morgens.

Liebe Elli!

Das ist eine Zickzackreise! Von Köln südlich nach Euskirchen, dann nordwestlich über Düren nach Malmedy, wo wir um 11 Uhr nachts zum letzten Mal auf deutschem Boden verpflegt wurden. Dann weiter bis Libramont (südwestlich) und nun wieder nordwestlich, wer weiß, wohin. Wundervoller Morgen, prachtvolle waldige Gegend mit bayrischen Landsturmleuten. Vielleicht sind wir die Nacht in Lüttich oder Namur oder Frankreich. Bis jetzt fahren wir schon 45 Stunden, ja, und waschen ist auch nur mehr eine Glücksache.

Gerhart

Die Söhne des Philosophen Husserl im Weltkrieg (Kriegsbriefe Husserl-Söhne – KHS)

Wolfgang Husserl wird am 18.Oktober 1895 in Halle geboren. Knapp sechsjährig zieht er mit seinen Eltern nach Göttingen, wo er die meiste Zeit seiner 20 Lebensjahre verleben wird. Im August 1914 werden er und sein zwei Jahre älterer Bruder Gerhart zum Kriegsdienst eingezogen; die etwa vier Jahre ältere Schwester Elisabeth leistet Lazarettdienst.

Soldat Wolfgang HusserlDer Vater, Edmund Husserl, zeigt sich zu Kriegsbeginn, wie viele andere, begeistert und voller Stolz. Er schreibt an seinen Bruder in Wien: „Die Mobilisation hat sich in bewunderungswürdiger Weise vollzogen, es war herzerhebend zu sehen, wie diese strammen prächtigen Regimenter, immer neu gebildet, hinauszogen. Was hier alles geleistet wird – dieses Opferwilligkeit in allen Volkskreisen, diese Zuversicht, dieser feste Wille zu siegen oder zu sterben <. . . > – all das ist unvergleichlich. Dieses Deutschland ist unbesiegbar!“ (Husserl-Briefwechsel Bd. IX, S. 289)

Am 20. Februar 1915 wird Wolfgang durch einen Lungenschuss erstmals schwer verwundet, kehrt aber bald wieder zurück ins Kriegsgeschehen, und zwar diesmal nach Etain, das etwa 20 km nordöstlich von Verdun liegt. Die Söhne des Philosophen Husserl im Weltkrieg (Kriegsbriefe Husserl-Söhne – KHS) weiterlesen