17.XI.1914 „Aus unseren 10 Tagen Ruhe ist leider nichts geworden“

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Wolfgang Husserl an M. und E. Husserl, 17. XI. 1914

Liebste Eltern!                                                                                                          Westroosebeke

Gestern erhielten wir die beiden Pakete, zu unserer unbeschreiblichen Freude und zur rechten Zeit. Unser Regiment ist nämlich nun endgültig für 10 Tage Ruhe hierhergekommen. Gestern hat der General uns (das Regiment ) besichtigt, wir mussten frierend drei Stunden mit gepacktem Affen stehen und nachdem er unsere Kompanieführer gelobt hatte, konnten wir nach Hause gehen. Unser Quartier ist blendend, sogar eine weiche Matratze erwischt, und wir sind am Fenster. Kochen kann man auch, es gibt übrigens 2 Mal täglich warm, 1/3 Laib Brot und Speck, Kaffee, Tee und Wein. Im Orte sieht man ein buntes militärisches Leben. Die Gegend ist ganz besonders eigenartig und schön. In der Ferne der große Wald (Wriebosch). – Luftkissen sehr praktisch. Von den Esssachen haben uns die Äpfel am meisten gefreut. Jetzt haben wir die Fülle. … Wie hatte man im Schützengraben ein Stückchen Wurst verschlungen, wo man ohne Erlaubnis eiserne Ration fraß.

Euer Wolfgang.

 

Liebste Eltern!

Im Schützengraben.

Aus unseren 10 Tagen Ruhe ist leider nichts geworden. Hinter demselben Nest, vor dem wir die Feuertaufe erhalten haben, liegen wir nun bei großer Kälte des Nachts und <bei> Schnee des Tags im Sch<ützengraben>, der elend angelegt ist und uns viel Arbeit macht. Keine 100 m von uns liegen die Feinde. Infolge der Nässe in der letzten Zeit ist der Schlamm in den Gräben metertief. Wie abscheulich es war, in der Dunkelheit mit Gepäck und Stroh unterm Arm gestern Abend die neue Stellung zu besetzen, könnt Ihr Euch nicht ausmalen; dass ich die Stiefel nicht verloren habe, ist ein Wunder.

Kirche Westroosebeke
Kirche Westroosebeke

 Die Franzosen schießen sehr gut. … Jetzt herrscht völlige Ruhe (2-3 Uhr ), da die Herren drüben Essen holen, wir auch. Der Ort ist vollständig zerschossen, kein Haus heil, Kirchturm abgeschossen. … Wir sind Euch dankbarer und freuen uns mehr über die Sendungen, als wir sagen können.

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