16.XI.1915 „ich muss wohl oder übel mit den Wölfen heulen“

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Wolfgang Husserl an M. Husserl, 16. XI. 1915

Liebe Mama!                                          Etain, 16.11.15

Ich bin jetzt als Zugführer bei der 15. Kompanie und habe alles sehr schön getroffen, einen angenehmen Kompanieführer Oberleutnant Alt (aktiv); außer mir sind noch 2 Offiziere da, ein Ulanenleutnant und ein Leutnant der Landwehr. Beide annehmbar. Hier herrscht ein ganz anderes, ich möchte sagen, weltlicheres Leben. … Obgleich ich es hier sehr gut haben werde, ist es doch schade, dass ich nicht mehr unter Hauptmann Henkel stehe. Er ist durch seine Unermüdlichkeit, sein allem zugewendetes Interesse und seine vornehme Art Untergebenen gegenüber ein Offizier, wie es nur ganz wenige gibt. Übrigens hat er jetzt auch nicht 10/19, sondern führt 11/19 als Bataillonsführer an Stelle des an „Smalianitis“ erkrankten Rittmeisters von M. Der kommandierende General war nämlich, wie ich schon schrieb, in E. und mit einigem nicht zufrieden, worauf gleich ein vertraulicher Regimentsbefehl herauskam, der die aufgefallenen Mängel nannte.

Wir Offiziere haben jetzt gar nichts zu tun, da die gesamte Kompanie in kleine Kommandos aufgelöst ist, die wir nicht zu beaufsichtigen haben. Wir wohnen alle in einem schönen Hause in großen Zimmern, haben ein schönes Esszimmer und essen höchst fein (nicht so einfach wie bei der 10., wo es nur alle Sonntage mal einen Hasenbraten gab), viel schöneres Geschirr. … Also bitte keine Wurst, keine Butter etc., etc. Einer der Herren kauft alles ein, und die Kosten werden dann repartiert. Abends sitzt man beisammen, trinkt Alkohol und spielt Karten. Ich finde das recht stumpfsinnig. Mir gefällt die Henkel’sche Nüchternheit besser. Was soll ich aber machen, ich muss wohl oder übel mit den Wölfen heulen. Gestern machte ich schon verzweifelte Anstrengungen, Doppelkopf (ein Kartenspiel) zu lernen. Bald werde ich Meister darin sein. …

Wie man sich jetzt gegen einen feindlichen Angriff schützt, glaubt Ihr gar nicht. Lebensmittel werden in den Stollen aufbewahrt, für Trommelfeuer. Abwehrmittel gegen Gasangriffe vervollkommnet und die Mannschaften genau darin unterrichtet. Nächtliches Schießen nach der Scheibe wird geübt, Handgranatenwerfen, Lichtsignale und Winken, beides mit Morsezeichen. Jetzt werden einzelne Leute im Schnellladen ausgebildet. … Ich bekomme jetzt auf einen Haufen 310 Mark für diesen Monat, ferner 250 Mobilmachungsgeld und 300 Mark Einkleidungsgeld. Ich habe um 3 Tage Urlaub nach Saarbrücken angetragen, um mich einzukleiden. Wollt Ihr nicht hinkommen?

Gruß,

W.

Vielen Dank für alle guten Sachen. Sende anbei eine für mich sehr schmeichelhafte Karte von Professor Roth, dem ich schrieb. Was sagst Du dazu? Lege sie bitte zu der übrigen Post.

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